Terminhinweis – Verhandlungstermine 28.11.2023 Ersatzfähigkeit von Kfz-Reparaturkosten im Falle des sog. Werkstattrisikos – Wer trägt Risiko bei Einwand des Unfallverursachers, die Werkstattrechnung sei überhöht?

BGH, VI. Senat – Pressemitteilung 136/2023

VI ZR 38/22 (10.30 Uhr), VI ZR 239/22 (09.45 Uhr), VI ZR 253/22 (09.00 Uhr), VI ZR 266/22 (11.15 Uhr) und VI ZR 51/23 (12.00 Uhr)

Die Verhandlungen betreffen die Ersatzfähigkeit von Kfz-Reparaturkosten im Zusammenhang mit dem sogenannten Werkstattrisiko. Insgesamt werden fünf (Revisionen) Fälle – mit unterschiedlichen Konstellationen behandelt, bei denen es um die Frage geht, wer das Risiko trägt, wenn der Unfallverursacher die von der Werkstatt gestellte Rechnung als überhöht beanstandet.  Die Fälle und der bisherige Verfahrensgang im Überblick:

VI ZR 38/22 Nach einem Verkehrsunfall, bei dem die volle Haftung des beklagten Haftpflichtversicherers außer Streit steht, beauftragte die Geschädigte die Klägerin, eine Kfz-Werkstatt, mit der Reparatur ihres Pkw. Dafür berechnete diese 3.000,16 € brutto. Ein Teil des Rechnungsbetrages in Höhe von 1.164,80 € netto entfällt auf Fremdleistungen für Lackierarbeiten. Auf Nachfrage der Beklagten übermittelte die Klägerin der Beklagten eine hinsichtlich der Rechnungsbeträge geschwärzte Rechnung der Lackiererei. Die Beklagte beglich die Reparaturrechnung bis auf einen Restbetrag von 1.188,32 €. Die Geschädigte trat ihre Ansprüche aus dem Verkehrsunfall an die Klägerin ab.

Die Beklagte hat die geltend gemachten Verbringungskosten von 80,00 € bestritten. Die in Ansatz gebrachten Lackierkosten hält sie für überhöht. Sie ist der Ansicht, ihr stehe insoweit bis zur Vorlage der ungeschwärzten Fremdleistungsrechnung ein Leistungsverweigerungsrecht bzw. ein Zurückbehaltungsrecht zu. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Verbringungskosten in Höhe von 80,00 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht dieses Urteil teilweise abgeändert und der Klage insgesamt stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

VI ZR 239/22 Die Geschädigte beauftragte die Klägerin, eine Kfz-Werkstatt, auf der Grundlage eines zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens mit der Reparatur des Unfallfahrzeugs. Die Klägerin stellte der Geschädigten 5.067,15 € in Rechnung, woraufhin ihr die Geschädigte ihren Ersatzanspruch gegen den Unfallverursacher erfüllungshalber abtrat. Der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers erstattete die Kosten der Reparatur bis auf die Position „Arbeitsplatzwechsel“ iHv 227,31 €. Er wendet ein, dass ein Arbeitsplatzwechsel tatsächlich nicht durchgeführt worden sei, weil die Klägerin selbst über eine Lackiererei verfüge und deshalb Verbringungskosten nicht angefallen seien. Das Amtsgericht hat der Klage aus abgetretenem Recht auf Zahlung der restlichen 227,31 € stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Haftpflichtversicherers hat das Landgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

VI ZR 253/22 Die klagende Geschädigte ließ das Unfallfahrzeug in einem Autohaus instandsetzen. Der durch das Autohaus hierfür in Rechnung gestellte Betrag wurde von ihr noch nicht beglichen und von dem beklagten Haftpflichtversicherer des Unfallgegners nur zum Teil erstattet. Die mit der Klage geltend gemachte offene Differenz beträgt 1.054,46 €. Die Beklagte verwies auf einen Prüfbericht eines Drittunternehmens, der um diesen Betrag geringere Reparaturkosten ausweist. Das Amtsgericht hat ein Sachverständigengutachten zur Höhe der objektiv erforderlichen Reparaturkosten eingeholt und auf dieser Basis die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere Reparaturkosten in Höhe von 389,23 EUR zu zahlen. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin Erstattung der weiteren Reparaturkosten in Höhe von 665,23 €, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche auf Schadensersatz gegen das Autohaus aufgrund möglicherweise überhöhter Abrechnung.

VI ZR 266/22 Das Fahrzeug des Klägers wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Ein vom Kläger beauftragter Sachverständiger ermittelte Kosten für die Fahrzeugreparatur von 9.227,62 € brutto. Der Kläger beauftragte eine Werkstatt, die ihm nach der Reparatur des Fahrzeugs 11.766,66 € brutto in Rechnung stellte. Hiervon erstattete die Beklagte, deren volle Haftung dem Grunde nach außer Streit steht, dem Kläger 11.401,45 €. Die Erstattung der restlichen Reparaturkosten, die der Kläger selbst noch nicht beglichen hat, lehnte sie mit der Begründung ab, diesen Kosten lägen Arbeiten zugrunde, die für die Reparatur des Fahrzeugs nicht erforderlich gewesen seien. Das Amtsgericht hat ein Sachverständigengutachten zur Frage der Erforderlichkeit der Reparaturarbeiten eingeholt. Es hat auf der Grundlage des Gutachtens die Beklagte zur Zahlung von 129,59 € verurteilt und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Erstattung weiterer Reparaturkosten gerichtet ist. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verlangt der Kläger die Erstattung der restlichen Reparaturkosten.

VI ZR 51/23 Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer COVID-19-Desinfektion, die der durch einen Verkehrsunfall geschädigten Klägerin im Zusammenhang mit der Reparatur ihres verunfallten Pkws von der von ihr beauftragten Werkstatt in Rechnung gestellt worden sind. Die volle Eintrittspflicht des beklagten Haftpflichtversicherers des Unfallgegners der Klägerin ist dabei dem Grunde nach unstreitig. Die Vorinstanzen haben die Beklagte unter Berufung auf die Grundsätze zur Tragung des Werkstattrisikos für erstattungspflichtig gehalten, auch wenn die Klägerin die abgerechneten Desinfektionskosten noch nicht bezahlt habe. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Sie macht unter anderem geltend, die abgerechneten Desinfektionsmaßnahmen seien schon deshalb nicht erstattungsfähig, weil sie tatsächlich nicht durchgeführt worden seien. Zudem komme eine subjektbezogene Schadensbetrachtung zugunsten des Geschädigten im Streitfall auch deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin die gesamte Schadensabwicklung im Rahmen eines „Schadensservices aus einer Hand“ in die Hände der beauftragten Reparaturwerkstatt gelegt habe.

Link zur Pressemitteilung vom 04.08.2023 – Nr. 136/2023

https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/2023136.html?nn=10690868